Große wissenschaftliche Studie zu Demenz und Depression
Demenz zieht häufig Depression nach sich
Zwischen Demenz und Depression bestehen vielerlei Wechselwirkungen.
Eine schwedische Metastudie (1) untersuchte anhand der Gesundheitsdaten von über 510.000 Demenzerkrankten, ob diese häufiger an einer Depression erkrankten als die Durchschnitts-Bevölkerung.
Alarmierendes Ergebnis: Im ersten Jahr nach der Demenz-Diagnose haben die Betroffenen ein dreifach höheres Risiko, eine Depression zu entwickeln, als Gleichaltrige ohne Demenz-Diagnose. Auch in den Jahren nach der Demenz-Diagnose liegt das Risiko, an einer Depression zu erkranken immer noch deutlich höher als bei gesunden Gleichaltrigen. Dies zeigt einmal wieder: Grundsätzlich sollte die Diagnostik einer Demenz durch einen Neurologen erfolgen. Der Neurologe untersucht in diesem Zusammenhang immer auch auf Anzeichen einer Depression. Diese fachärztliche Diagnostik ist notwendig, da die Unterscheidung von Demenz und Depression häufig sehr schwierig ist.
Achten Sie auf die Stimmungslage des Menschen mit Demenz!
Als Angehörige oder als professionelle Betreuungskraft erkennen Sie meist recht gut, ob sich an der Stimmungslage des Demenzerkrankten etwas verändert hat. Achten Sie aufmerksam auf Veränderungen wie abnehmenden Appetit, ungewöhnliche Aggressivität, häufiges Weinen, traurige Stimmung, Interesselosigkeit, Antriebslosigkeit. Besonders wenn ein Mensch sich nicht mehr an Dingen freuen kann, für die er sonst immer Begeisterung zeigte, ist das wahrscheinlich ein Symptom einer depresssiven Problematik. Wenn Sie solche Dinge an Ihrem Angehörigen beobachten, berichten Sie baldmöglichst dem Hausarzt davon, der als erste Anlaufstation entscheiden wird, ob fachärztliche Untersuchungen nötig sind.
Ähnliche Symptome bei Depression und Demenz
Eine Depression ist keine Bagatellsache, die irgendwann von selbst wieder verschwindet. Sie sollte unbedingt behandelt werden. Manchmal bessern sich bei einer antidepressiven Behandlung auch die Demenzsymptome etwas.
Leider werden depressive Symptome immer noch häufig nur der Demenz zugeschrieben. Dadurch wird die Depression nicht behandelt und Menschen mit Demenz leiden unnötig.
Eine Tablette allein macht keinen Unterschied
Niemals sollte bei einer ärztlich erkannten Depression einfach nur eine Tablette verabreicht werden. Es sind unbedingt weitere Hilfen nötig: Mehr Zuwendung, mehr Bewegung, mehr Licht (siehe den Artikel auf dieser Website), Singen und Musik usw. „Wir wissen, dass körperliche Aktivität sowohl bei Frühdemenzen progressionsverzögernd wirkt, als auch bei Depressionen stimmungsaufhellend“, berichtet Frau Prof. Dr. Katja Werheid (Universität Bielefeld) im hörenswerten „Demenz-Podcast“(2) zum Thema Depression. Auch körperliche Berührung ist wohltuend und förderlich, sofern vom betroffenen Menschen erwünscht. Ältere Menschen leiden häufig nicht nur unter Einsamkeitsgefühlen, sondern unter einem regelrechten Berührungsdefizit. (→ Artikel „Berührung“)
Achten Sie auch auf Zeichen von chronischen Schmerzen, die ebenfalls unbehandelt häufig zu Depressivität führen können. Bedenken Sie, dass Menschen mit Demenz oft nicht mehr klar benennen können, wenn sie Schmerzen haben. Dies betrifft besonders chronische Schmerzen.
Bei fortgeschrittener Demenz keine Antidepressiva
Eine wichtige Einschränkung gilt es zu beachten: Für Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz haben antidepressive Medikamente keinen Nutzen gezeigt, sondern wirkten sich teilweise sogar negativ auf die geistigen Fähigkeiten aus. Zu diesem Schluss kommt eine weitere aktuelle schwedische Studie (3). Es bleiben in diesem Fall aber weiterhin die nichtmedikamentösen Möglichkeiten, wie oben beschrieben.
Volker Gehlert, Dementia Care Manager
Quellen:
(1) https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/dad2.12584
(2) https://www.demenz-podcast.de/?episode=demenz-podcast-folge-60#podcast
(3) https://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12916-025-03851-3