Mehr Licht!
Warum Licht für ältere Menschen so wichtig ist
Ältere Menschen sollten auf genügend Flüssigkeitszufuhr und ausgewogene Ernährung achten. Bei Menschen mit Demenz sind die Angehörigen und die Betreuungskräfte gefordert, dies sicherzustellen. Dies ist allgemein bekannt.
Dass auch genügend Licht ein Faktor für das körperliche und seelische Wohlbefinden ist, wird häufig sehr unterschätzt. „Menschen mit Demenz haben die gleichen Bedürfnisse wie Menschen ohne Demenz: Sie brauchen Licht, Bewegung, Gesellschaft, Sicherheit, Respekt und Wertschätzung“, sagt der Demenzexperte Michael Schmieder.(1) Ganz besonders Menschen mit Demenz benötigen eine gute Beleuchtung und viel Tageslicht.
Hormone
Licht hat verschiedene Auswirkungen auf den Körper: Tageslicht fördert die Bildung des Hormons Serotonin, das unter anderem den Magen-Darm-Haushalt und das Zentralnervensystem anregt. Das Schlafhormon Melatonin wird hingegen durch Licht in seiner Produktion gehemmt. Dadurch werden Körperfunktionen in Richtung wach reguliert.
Wichtiges Vitamin
Zudem regt UV-Licht die Produktion des Prohormons Vitamin D an. Aus der UVB-Strahlung bildet der Körper das Provitamin D3.
Als Betreuer/in oder als Angehörige eines Menschen mit Demenz sollten Sie unbedingt dafür sorgen, dass für den erkrankten Menschen ausreichend Licht zur Verfügung steht. Dies bezieht sich auf die Beleuchtung in der Wohnung wie auch auf ausreichend Tageslicht.
Hier finden Sie 7 Tipps, wie Sie durch Licht die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Menschen mit Demenz verbessern können:
1) Sturzrisiko senken
Ein Sturz ist für ältere Menschen häufig mit einem Krankenhaus-Aufenthalt verbunden. Gerade für Menschen mit Demenz führt dies oft zu starker Verwirrtheit. Schlechte Beleuchtung ist ein Hauptgrund für Stürze. Tipp: Installieren Sie Nachtlichte, besonders auf der Toilette und dem Weg dahin. Auch auf Treppen ereignen sich viele häusliche Unfälle. Gute Beleuchtung der Treppen ist daher sehr wichtig. Vermeiden Sie jedoch Schlagschatten durch zu einseitige, schweinwerferartige Beleuchtung.
2) Schlaf-Wach-Rhythmus erhalten
Im mittleren und späten Stadium einer Demenzerkrankung entwickeln die Betroffenen manchmal eine Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus. Dies führt zu starken Belastungen der pflegenden Angehörigen. Mit angepasster Raumbeleuchtung können Sie dem vorbeugen. Gut zu wissen: Ein 80-jähriger Mensch benötigt viermal so helle Beleuchtung wie ein 20-jähriger, um die gleiche Helligkeitsempfindung im Auge bzw. im Gehirn zu erzeugen. Leider sind viele Seniorenwohnungen mit viel zu schwacher Beleuchtung ausgestattet. Viele Senioren wollen „Strom sparen“. Tipp: Sorgen Sie für helle, indirekte Beleuchtung. Am besten mit sogenannten Tageslichtlampen. Diese strahlen aber mit relativ „kaltem“ Licht. Das wird häufig als ungemütlich wahrgenommen. Ergänzen Sie diese Lampen daher mit einer warm-gelben Lampe pro Raum. Weiterer Tipp: Wenn der ältere Mensch sich innerhalb der Wohnung aufhält, sollte er möglichst tagsüber einen Platz an einem Fenster haben.
Beachten Sie: Am Abend sollten Sie mindestens zwei Stunden vor dem gewohnten Schlafbeginn helles Licht mit hohen Blauanteilen vermeiden.
3) Winterdepression vermeiden
Mehr als 30% aller Demenzerkrankten leiden an einer Depression - als Reaktion auf die Demenz (2). In den lichtarmen Wintermonaten kann noch eine sogenannte Winterdepression hinzukommen, wie wir aus den skandinavischen Ländern wissen.
In den Monaten November bis März ist es in Deutschland nicht möglich, über den Aufenthalt in der Sonne genügend Vitamin D zu bilden.
Tipp: Achten Sie beim demenzbetroffenen Menschen auf Anzeichen wie Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Sprechen Sie bei ersten depressiven Anzeichen unverzüglich mit dem Hausarzt, der das genauer beurteilen kann. Falls es sich „nur“ um eine Winterdepression handelt, wird unter anderem die Lichttherapie empfohlen. Dabei sitzen die Patienten täglich ca. 30 Minuten vor einem speziellen, sehr hellen Leuchtschirm. Auch eine Gabe von Vitamin D3 über die Wintermonate schlägt oft sehr gut an. Auch hier berät Sie ihr Hausarzt. Bitte geben Sie auch frei verkäufliche Vitamine und Mineralstoffe nur nach Absprache mit dem Arzt. Zuviel des Guten kann Schaden anrichten. Maximal sollte ein Erwachsener 2000 IE Vitamin D pro Tag aufnehmen.
Ein weiterer Effekt von D3: Es hilft, Osteoporose vorzubeugen, zusammen mit einer calziumreichen, vitaminreichen Ernährung. Dies ist wichtig, denn jede vierte Frau über 50 Jahren ist von Osteoporose betroffen (3).
In den helleren Monaten reicht ein Sonnenbad von ca. 15 – 30 Minuten täglich aus, um die Vitamin-D-Versorgung zu sichern. Gesicht und Unterarme sollten dabei unbedeckt sein. Schützen Sie aber gleichzeitig die empfindliche Kopfhaut.
Vorsicht bei Personen, die eine Augen-OP wegen grauem Star hinter sich haben. Diese Personen sollten bei hellem Sonnenlicht unbedingt und immer eine spezielle Sonnenbrille tragen!
4) Ängsten vorbeugen
Schon Kinder haben im Dunkeln Angst. Menschen mit Demenz sind durch ihre Erkrankung an sich schon verunsichert. Man sollte alles vermeiden, was den Erkrankten stresst, verunsichert, Angst macht. Tipp: Mit einer guten Raumbeleuchtung (Tageslichtlampen) tragen Sie dazu bei, dass der Mensch sich sicherer fühlt. Beachten Sie: Wenn es draußen dunkel ist, können große Fensterflächen von innen zu Spiegeln werden. Wenn sich ein demenzbetroffener Mensch in einer Fensterfläche schemenhaft spiegelt, kann er das manchmal als fremden Menschen wahrnehmen und sich ängstigen. Mit einem Vorhang können Sie da sehr einfach abhelfen.
5) Wohlbefinden fördern
Supermärkte haben es schon lange erkannt: Dort ist das Gemüse anders beleuchtet als beispielsweise die Fleischtheke. Alles erscheint dadurch besonders appetitlich. Und zur Weihnachtszeit erfreuen uns die vielen Lichter in Häusern und auf Weihnachtsmärkten, denn Licht ist einfach schön.
Tipp: Warmes Licht am Esstisch lässt die Mahlzeiten appetitlicher aussehen. Angenehm helles Licht im Wohnzimmer oder Aufenthaltsraum trägt zu einem Gefühl des Wohlbefindens und der Geborgenheit bei. Dekorieren Sie in der dunklen Jahreszeit mit Lichterketten und LED-Kerzen den Raum. (Bitte keine echten Kerzen bei Menschen mit Demenz!) Bilder an den Wänden können mit einem Licht-Spot quasi „ins Rampenlicht“ gesetzt werden und dadurch vom älteren Menschen überhaupt erst wieder wahrgenommen werden.
6) Konzentrationsfähigkeit / Aktivität unterstützen
Als Betreuungskräfte oder Alltagsbegleiterinnen von Menschen mit Demenz möchten Sie gerne die älteren Menschen zu Aktivitäten anregen. Tipp: Sorgen Sie für sehr helles, aber blendfreies Raumlicht. Helles Licht signalisiert dem Gehirn des Menschen, dass jetzt Zeit für Aktivität ist. Denken Sie daran: Eine 80-jährige Person benötigt viermal so helles Licht wie eine 20-jährige! (siehe oben bei Punkt 2).
7) Tageslicht – Frischluft - soziale Kontakte
Selbst an einem sehr grauen Wintertag ist die Lichtstärke draußen immer noch rund viermal so hoch wie in einem Innenraum. Sorgen Sie also dafür, dass der Ihnen anvertraute Mensch möglichst jeden Tag nach draußen kommt. Wenn Sie den älteren Menschen nach draußen begleiten, erhält er neben dem nötigen Tageslicht ganz nebenbei auch genügend frische Luft und es ergeben sich häufig Begegnungen mit anderen Menschen. Tipp: Nutzen Sie den Gang nach draussen dazu, Orte aufzusuchen, wo man andere Menschen trifft, wie den Marktplatz, ein Café oder einen Park. Wenn der Mensch mit Demenz sehr zum sozialen Rückzug neigt oder sehr ängstlich ist, thematisieren Sie vorab gar nicht, wo genau Sie mit ihm hingehen möchten. Sagen Sie einfach: „Wir gehen mal ein bißchen an die frische Luft – draussen ist es so schön“.
Hoffentlich konnte der ein oder andere Tipp Ihnen weiterhelfen!
Volker Gehlert
Dementia Care Manager
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Quellenangaben:
1) https://www.sonnweid.ch/media/1_-sonnweid_das_heft_nr._1_-_mehr_licht.pdf
2) https://www.aerzteblatt.de/archiv/241025/Depressionen-und-Demenz-Antidepressiva-sinnvoll-im-Alter und:
https://www.alzheimer-schweiz.ch/fileadmin/dam/Alzheimer_Schweiz/Dokumente/Publikationen-Produkte/163-36D_2020_Depression.pdf
3) https://de.wikipedia.org/wiki/Osteoporose
und
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Vitamin-D-Mangel-Nahrungsergaenzungsmittel-koennen-Symptome-verhindern,vitamindmangel101.html